Arbeitsrecht und Corona: Ihr fragt, wir antworten

Corona wirft viele Fragen auf – auch zum Thema Arbeitsrecht. Wir haben sie einem Fachanwalt gestellt. Hier seine Antworten.

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Lesedauer: 7 Minuten2020-04-17
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Update Oktober 2020: Dieser Artikel wurde ursprünglich im April veröffentlicht, ist gerade aber wieder wichtig.

Die Coronakrise hat unseren Alltag auf den Kopf gestellt. In dieser herausfordernden Zeit möchten wir euch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Deswegen haben wir in einem Blogartikel bereits einige grundlegende Fragen zum Thema Corona und Arbeitsrecht aufgegriffen. Da sich die Situation aber dynamisch entwickelt, kommen täglich neue Unsicherheiten auf. In diesem zweiten Beitrag haben wir deshalb eure häufigsten Fragen an den Rechtsexperten Florian Christ gestellt. Florian ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Heidelberg und in diesen Tagen viel beschäftigt.

Kurzarbeit, Kündigung, Urlaub in Zeiten von Corona? Ein Experte antwortet

Leider sind viele eurer Fragen nicht eindeutig zu beantworten – auch wenn sie auf den ersten Blick einfach klingen. Florians Antwort war oft ein entschiedenes Jein – der Teufel steckt im Detail, das gilt auch in Zeiten von Corona. Vieles hängt vom Einzelfall ab. Wir werfen einen Blick auf die folgenden Themen:

  1. Urlaub
  2. Kurzarbeit
  3. Rechte des Arbeitgebers
  4. Pflichten des Arbeitgebers
  5. Homeoffice
  6. Kündigungen
  7. Abfindungen
  8. Wo finde ich rechtliche Beratung?

Urlaub

Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu verpflichten, seinen Jahresurlaub zu nehmen?

In einem gewissen Umfang (etwa die Hälfte der Urlaubstage) darf der Arbeitgeber einseitig Urlaub etwa in Form von Betriebsferien anordnen. Allerdings muss der Arbeitnehmer über einen Teil seiner Urlaubstage weiterhin frei verfügen dürfen.

Viele Arbeitnehmer können ihre Urlaube nicht antreten und könnten somit die Urlaubstage für einen späteren Zeitpunkt gebrauchen. Einige Unternehmen lassen die Tage aber nicht stornieren. Wie ist das geregelt?

Urlaub, der bereits bewilligt ist, kann nicht einseitig rückgängig gemacht werden – weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber. Um bewilligte Urlaubstage zu stornieren, müssen beide Seiten einverstanden sein. Hier sollte man also ein Gespräch mit dem Chef suchen, um eine einvernehmliche Lösung zu besprechen.

Mein Arbeitgeber meint, ich muss von meinen 26 Urlaubstagen 8,5 Tage bis zum 30.06 nehmen. Soweit ich weiß dürfen, sich Arbeitnehmer die Urlaubstage nehmen, wann sie wollen. Ist das gesetzlich geregelt oder nicht?

Der Arbeitnehmer “nimmt” keinen Urlaub, sondern beantragt ihn. Der Arbeitgeber prüft dann, ob das betrieblich möglich ist. Gerade in der aktuellen Krisenzeit kann es sein, dass Arbeitnehmer nicht frei für sich entscheiden können, wann sie Urlaub machen wollen. Der Arbeitgeber darf etwa die Hälfte der Urlaubstage einseitig festlegen.

Kurzarbeit

Gilt das Kurzarbeitergeld auch für Minijobs?

Nein. Hier erfolgt keine Förderung der Arbeitsagentur bei Arbeitsausfällen.

Gilt das Kurzarbeitergeld für Werkstudenten?

Hier müsste man sich den Arbeitsvertrag im Einzelfall genauer anschauen. Werkstudenten gelten arbeitsrechtlich gesehen in der Regel als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer.

Darf ich mir während der Kurzarbeit einen Nebenjob suchen?

Ja, im Moment ist dies möglich. Allerdings ist das eine Sonderregelung in Zeiten von Corona, die nicht immer gilt.

Wird bei Kurzarbeit auch das 13-te Gehalt gekürzt?

Nein. Sondervergütungen werden erst einmal nicht von Kurzarbeit erfasst. Eine Ausnahme sind Provisionen oder Bonuszahlungen, je nach vertraglicher Ausgestaltung.

Ändern sich durch Kurzarbeit die Kündigungsbedingungen?

Nein.

Rechte des Arbeitgebers

Darf der Arbeitgeber einen Mitarbeiter zwingen, einen Mundschutz am Arbeitsplatz zu tragen?

Derzeit würde ich sagen: ja.

Darf der Arbeitgeber wegen geringer Auftragslage seine Angestellten dazu zwingen Urlaub zu nehmen?

Ja, man kann Betriebsferien anordnen und zumindest einen Teil des Jahresurlaubs ohne Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers vorgeben.

Darf der Arbeitgeber verlangen, dass der Arbeitnehmer der Kurzarbeit und Kürzung des Gehaltes auf bis zu 60% zustimmt, obwohl das Arbeitspensum gleich bleibt?

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht dazu zwingen, etwas zu unterschreiben, was dieser nicht will. Allerdings ist die Kurzarbeit in der Regel in beidseitigem Interesse, da sie betriebsbedingte Kündigungen vermeiden soll. Wichtig ist: Der Arbeitnehmer hat den Anspruch, für seine tatsächliche Arbeitszeit vergütet zu werden. Arbeitet er also weiterhin 40 Stunden die Woche, so muss er auch sein volles Gehalt bekommen.

Wir sind alle über 60 Jahre alt und kommen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit. Unser Arbeitgeber erlaubt kein Homeoffice. Nun sitzen wir in einem kleinen Büro eng aufeinander und drehen Däumchen, weil keine Arbeit da ist. Ist das rechtens?

In dieser Schilderung stecken zwei Fragen. Die erste Frage ist: Muss man im Büro erscheinen, auch wenn aktuell weniger Arbeit da ist? Die Antwort ist ja. Der Arbeitnehmer muss seinen Vertragspflichten nachkommen, auch wenn das bedeutet, dass er die Zeit absitzt. Allerdings darf dies kein Dauerzustand bleiben. Die zweite Frage betrifft das Homeoffice. Ein Recht auf Homeoffice gibt es in Deutschland bislang nicht. Sieht sich der Arbeitnehmer jedoch im Betrieb akut gefährdet, sollte er den Arbeitgeber darauf hinweisen. Er oder sie könnte auf dieser Grundlage die Arbeit verweigern. Allerdings besteht bei einer solchen Eskalation immer die Gefahr, dass die Auseinandersetzung vor Gericht endet.

Kann mich mein Arbeitgeber fragen, ob ich mich arbeitslos melde, um mich nach der Coronakrise wieder einzustellen?

Hierfür bedürfte es der formalen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wenn der Arbeitnehmer aber selbst kündigt oder einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, riskiert er, für eine Zeit von drei Monaten kein Arbeitslosengeld zu erhalten. Man spricht hier von der sogenannten Sperrzeit wegen selbst verschuldeter Arbeitslosigkeit. Daher ist eine solche Vereinbarung für den Arbeitnehmer nicht zu empfehlen.

Kann man als Feuerwehrmann wegen der momentanen Situation eine Gefahrenzulage bekommen?

Der Arbeitgeber kann jederzeit freiwillig eine Gefahrenzulage gewähren. Hierfür bedürfte es einer verbindlichen Zusage oder einer vertraglichen Regelung. Das Thema Gefahrenzulage ist darüber hinaus oft in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen geregelt. Ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch besteht allerdings nicht.

Pflichten des Arbeitgebers

Wir arbeiten ganz normal weiter und haben Kontakt zu Klienten, die wir teilweise sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln besuchen. Wir haben keinerlei Schutzausrüstung. Also tragen wir das Virus eventuell weiter, ohne es zu wissen. Wie sieht das arbeitsrechtlich aus?

Das ist eine schwierige Situation. Noch gibt es von Seiten der Behörden keine verpflichtenden Vorgaben etwa zum Tragen von Mundschutzmasken während der Arbeit, dies könnte sich in den nächsten Tagen oder Wochen aber noch ändern. Der Arbeitgeber muss die Mitarbeiter und Klienten aber auch jetzt schon so gut wie möglich schützen. Wenn man da als Arbeitnehmer Sorge hat, sollte man dies offen mit dem Arbeitgeber ansprechen. Theoretisch besteht ein Recht, die Arbeit niederzulegen und die Leistung zu verweigern, wenn man sich akut gefährdet sieht. In diesem Fall landet man jedoch schnell vor dem Arbeitsgericht. Eine direkte Einigung mit dem Arbeitgeber wäre daher vorzuziehen.

Ich arbeite als Erzieherin in einer Kita, die seit 14 Tagen geschlossen ist. Mein Arbeitgeber hat sich seit dem letzten Tag nicht mehr bei uns gemeldet. Im Homeoffice arbeiten ist nicht möglich. Können im Nachhinein irgendwelche Konsequenzen gezogen werden, wenn wir nicht arbeiten (etwa Minusstunden, weniger Urlaubstage oder Ähnliches)?

Der Arbeitgeber müsste hier den arbeitsrechtlichen Zustand definieren und seine Mitarbeiter informieren. Klar ist: Der Arbeitnehmer hat nichts falsch gemacht und steht auf Abruf bereit. Rückwirkend kann der Arbeitgeber diese Zeit nicht ohne Weiteres als Urlaub, Minusstunden oder Kurzarbeit deklarieren. Dies müsste im Vorfeld angekündigt oder vereinbart sein.

Homeoffice

Können die erhöhten Stromkosten, die durch Homeoffice entstehen, kompensiert werden?

Generell ja. Schwieriger ist aber der Nachweis über die konkrete Höhe der Stromkosten. Für Arbeitgeber empfiehlt es sich, hier Pauschalen festzulegen, auch für sonstige Aufwendungen wie z. B. Internet- und Telefonverbindungen.

Ich bin für meinen Jahresurlaub in Heimatland Indien geflogen. Wegen Corona bin ich in Indien hängengeblieben. Es gibt derzeit das Einreiseverbot der EU und zudem keine Flüge nach Deutschland. Kann ich von Indien aus für die deutsche Firma arbeiten?

Es sollte in diesem Fall eine rasche Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber erfolgen, um eine für beide Seiten tragfähige Lösung zu finden. Eine Durchführung der Arbeitstätigkeit aus dem Ausland wird vom Arbeitnehmer nicht erzwungen werden können. Einvernehmlich könnte man aber auch hier zu guten Ergebnissen gelangen, damit das Arbeitsverhältnis nicht insgesamt gefährdet wird.

Darf ich als Auszubildender Homeoffice machen?

In aller Regel wird es dem Ausbildungsbetrieb nur schwer möglich sein, die von ihm geforderten Ausbildungsaktivitäten im Homeoffice durchführen zu können. Dies hängt aber natürlich auch stark von den Ausbildungsinhalten ab. Eine Ausbildung im Bereich der neuen Medien würde ggf. eher Gelegenheit bieten, zumindest einzelne Tage auch im Homeoffice zu verbringen. Hierzu sollte mit dem jeweiligen Ausbildungsverantwortlichen gesprochen werden.

Mein Arbeitgeber möchte, dass ich Homeoffice mache und nach Möglichkeit meinen privaten PC zur Verfügung stelle. Das habe ich abgelehnt und um einen dienstlichen Notebook gebeten. Der Arbeitgeber will mir stattdessen einen PC mit einem riesigen separaten Bildschirm aus dem Büro für das Homeoffice anbieten. Darf ich das ablehnen? Ich habe nicht so viel Platz für den riesigen Bildschirm.

Homeoffice ist vorbehaltlich bereits bestehender Vertragsregelungen nicht einseitig erzwingbar. Insoweit sollte auch über die Umstände und technische Ausstattung eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Wenn die Platzverhältnisse beim Arbeitnehmer eine heimische Tätigkeit ausschließen, ist das Homeoffice auf dieser Basis nicht durchführbar.

Kündigungen

Darf mich mein Chef kündigen, wenn die Firma durch Corona geschlossen hat, um beispielsweise Geld zu sparen?

Nein. Geld einsparen ist zunächst kein Kündigungsgrund. Deshalb gibt es die Möglichkeit der Kurzarbeit. Wenn die Firma aber z.B. wegen anhaltendem Auftragsmangel komplett abgewickelt oder dauerhaft Personal abbauen muss, sind natürlich auch Kündigungen unausweichlich und auch arbeitsrechtlich möglich.

Ich bin verheiratet, habe zwei kleine Kinder und bin seit 2016 in der Firma. Seit 2018 bin ich unbefristet. Kann ich gekündigt werden?

Wenn das Unternehmen dauerhaft verkleinert werden muss, sind betriebsbedingte Kündigungen möglich. Dabei wird aber nach sozialen Kriterien entschieden, wenn nur ein Teil der Belegschaft entlassen wird. Zu diesen Kriterien zählen Betriebszugehörigkeit, Familiensituation, Alter des Beschäftigten und Vorhandensein einer Behinderung. Arbeitnehmer mit unterhaltspflichtigen Kindern sind grundsätzlich vor betriebsbedingten Kündigungen besser geschützt als Arbeitnehmer ohne Kinder.

Kann einem Azubi während und nach der Coronakrise gekündigt werden?

Eher nein. Auszubildende sind bis zum Ende des Ausbildungsvertrags gut geschützt. Anders sieht es auch hier aus, wenn die Firma komplett geschlossen wird.

Darf man nach zehn Jahren Beschäftigung aufgrund von Corona betriebsbedingt gekündigt werden?

Generell schon, falls die Coronakrise zu einem dauerhaften Rückgang der Geschäftstätigkeit führt. In der Regel müssen aber aufgrund einer durchzuführenden Sozialauswahl erst jene Arbeitnehmer gehen, die kürzer dabei sind. Man ist also besser geschützt, wenn man länger dabei ist.

Darf ich trotz Probezeit momentan gekündigt werden?

Im ersten halben Jahr einer neuen Beschäftigung ist man als Arbeitnehmer in aller Regel generell nicht vor Kündigungen geschützt.

Ich bin in die Kurzarbeit geschickt worden. Auf der Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit steht, dass die Kurzarbeit bis zum Ende des befristeten Vertrages gilt, falls die Epidemie bis dahin dauern würde. Kann mich der Arbeitgeber trotzdem entlassen?

Ja, wenn der Arbeitgeber einen arbeitsrechtlich anerkannten Grund hierfür hat. Wenn also die Maßnahme der Kurzarbeit nicht ausreicht und der Betrieb dauerhaft verkleinert werden muss, sind betriebsbedingte Kündigungen zulässig. Im Einzelfall wird aber darauf zu achten sein, ob z.B. Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge die Möglichkeiten einer Kündigung in Zeiten der Kurzarbeit ausschließen.

Hallo ich arbeite als Geldtransportfahrer, ich verdiene jetzt weniger, da ich weniger Stunden arbeite. Meine Frage lautet, was wenn ich Privatinsolvenz stellen muss, verliere ich dann meinen Arbeitsplatz? Weil ich ja mit Geld zu tun habe? Bei meiner Einstellung musste ich die Schufa Auskunft beim Arbeitgeber abgeben.

Wenn die mangelnden Einkünfte wegen unverschuldetem Arbeitsausfall zu einer Privatinsolvenz führen, wäre dies nicht als Kündigungsgrund anzuerkennen. Wichtiger wäre es in diesem Fall allerdings, zu prüfen, wieso die Stundenreduzierung zu einem maßgeblichen Verdienstausfall führen. Ggf. wäre eine Förderung durch Kurzarbeitergeld oder weitere staatliche Hilfsmaßnahmen geeignet, um die eintretenden Einkommensschäden zu reduzieren.

Abfindungen

Unser Arbeitgeber möchte die Produktion nach Indonesien verlagern. Steht mir da eine Abfindung zu?

Auch in diesem Fall entsteht nicht automatisch ein Abfindungsanspruch. Wenn die Produktion nachweisbar komplett geschlossen wird, können die Produktionsmitarbeiter betriebsbedingt und ohne Abfindungsanspruch gekündigt werden. Abfindungen können aber auch hier im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen oder Sozialplänen mit dem Arbeitgeber verhandelt werden.

Ab wann hat man bei einer Kündigung Anspruch auf eine Abfindung und wie bekommt man diese?

Einen gesetzlichen Abfindungsanspruch im Falle von Kündigungen gibt es nicht, dies ist eher ein landläufiger Irrglaube. Abfindungen werden aber häufig im Rahmen von Kündigungskonflikten beidseitig vereinbart, um einen langen Rechtsstreit mit Risiken für beide Seiten zu vermeiden. Bei größeren Kündigungswellen werden Abfindungsansprüche mitunter auch von Betriebsräten in Sozialplänen ausgehandelt.

Wo finde ich rechtliche Beratung?

Vieles hängt vom Einzelfall ab. Daher unser Tipp: Viele Rechtsschutzversicherungen bieten eine kostenlose Beratungshotline an, über die du Tag und Nacht Anwälte erreichst, die dir weiterhelfen. Sieh am besten gleich nach, ob deine Rechtsschutzversicherung diesen Service bietet – und nutze ihn.

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Lydia
Autor: Lydia